Bei der Korrektur dieser Pferde müsst ihr euch zuerst folgendes klar machen:
- der Reiter muss (!!!!!) sich ändern und schulen
- die Hilfen der Hand müssen fein werden und dürfen niemals mehr rückwärts einwirken
- ein Schließen der Finger muss sofort (!!!!!) wieder ein Öffnen folgen
- keine Hilfszügel, egal wo das Problem liegt, ihr werdet es niemals ehrlich mit Hilfszügeln korrigieren. Spart euch das Geld.
- die Gehfreudigkeit des Pferdes muss wiederhergestellt werden. In der Regel laufen diese Pferde mit Hinterantrieb auf Halbmast
- jede Bewegung nach hinten - unten muss sofort korrigiert werden
Mein Hannoveraner Willow, genannt Willi, kam mit 4,5 Jahren als nicht mehr reitbar zu mir. Er war ein Jahr unter dem Sattel, wurde aufs fieseste eingerollt und trat nicht mehr an den Zügel heran. Seine Reaktion war ein sofortiges Durchgehen, sobald die Zügel aufgenommen wurden. Er war halt schlau und hat sich gewehrt. Dieser Fall gehört sicherlich mit zu den krassesten, kommt aber doch häufig vor. Am meisten finde ich bei Reitern den Fall, dass das Pferd immer knapp hinter der Senkrechten ist.
Welche Reihenfolge in der Korrektur ist sinnvoll?
1. Das Pferd muss die Nase wieder vor die Senkrechte bekommen und schauen, wo es hinläuft
2. Der Kontakt am Gebiss muss erhalten werden
3. Die Muskeln der oberen Muskelkette müssen aufgebaut werden, die der unteren muss stützen
4. Die Beweglichkeit der Muskeln muss gefördert werden und das Gleichgewicht wieder hergestellt
5. Festigung der Korrektur in allen Lebenslagen
Meine Vorgehensweise
Als ich meinen Hannoveraner bekam, war er so dünn, dass man das Skelett schon gut erkennen konnte. Keine Muskeln da, wo sie hingehören. Einen mächtig verhärteten Unterhals und das wars. Hinzu kommt noch erschwerend, dass er koppt. Du die wenige Muskulatur war Reiten eh nicht das geeignete Mittel. Ich begann also vom Boden. An der Longe habe ich ihn mit Kappzaum gearbeitet, so wie wir das bei Philippe Karl gelernt haben. Über die Biegung konnte ich ihn nach einiger Zeit in eine schöne Dehnungshaltung locken. Aber das größere Problem war ja das Gebiss. Ich benutze für meine Pferde übrigens eine einfach gebrochene Schenkeltrense aus Edelstahl, nicht zu dick. So ein ganz günstiges Gebiss ohne viel Schnick Schnack.
Erste Schritte
Die ersten Einheiten waren erst einmal Gewöhnung an das Gebiss und eine neue Erfahrung der Einwirkung. Willi war zum Glück sehr artig und lieb im Umgang und noch kindlich neugierig. Es war also kein Problem ihm etwas neues zu erklären. Zuerst haben wir die Abkauübungen im Stehen gemacht. Bei dieser Korrektur stehe ich allerdings seitlich neben dem Kopf, lege den äußeren Zügel über das Genick rüber, fasse am inneren Zügel an den Trensenring und habe die Hand des äußeren Zügels auf Höhe Ganasche. Nun führe ich sanft beide Hände zueinander. So wirke ich auf beiden Seiten wieder Richtung Maulwinkel ein und tue dem Pferd nicht weh. Bei der normalen Abkauübung lässt man die Spannung sofort nach, sobald das Pferd im Unterkiefer nachgibt. Bei dieser Korrektur ist es so, dass ich möchte, dass das Pferd im Unterkiefer nachgibt und noch gegen das Gebiss drückt. Ich behalte also die Spannung an beiden Zügeln bei, bis das Pferd einen Ausweg aus dieser nicht ganz so harmonischen Situation sucht. Das stört dem Pferd ziemlich. Geht das Pferd aber nach evtl. verschiedenen Versuchen in alle möglichen Richtungen endlich nach vorne - unter, dann löse ich sofort etwas die Spannung, behalte den Kontakt aber bei. Kommt es wieder hoch, erhöhe ich wieder die Spannung. Ist eigentlich ganz einfach: Spannung lösen wenn Nase nach vorwärts - abwärts; Spannung erhöhen wenn Nase wieder hoch. Geht das Pferd irgendwann dabei mit der Nase hinter die Senkrechte, so kann meine Hand am Trensenring das sofort durch Bewegung des Gebisses Richtung Oberkiefer/Nüster korrigieren. Das wird jetzt immer wieder im Stand geübt. Zwischendurch sind Pausen selbstverständlich. Hat das Pferd das im Halten verstanden, dann das Ganze im Schritt wiederholen. Da kommen dann sicherlich wieder die ersten Probleme. Aber auch hier gilt beharlich bleiben. Loben durch Nachgeben der Spannung bei vorwärts - abwärts. Ihr könnt euch gebogene Linien zunutze machen. Das Pferd versucht in der Biegung runter zu gehen, da es bequemer ist. Diesen Schritt an der Hand empfehle ich wirklich ausgiebig über mehrere Wochen zu machen! Das Pferd hat Schmerzen in der verspannten Muskulatur der Oberlinie,da diese stark überdehnt und verspannt ist. Kennt ja jeder von euch auch, wenn ihr mal Muskeln dehnt, die sonst eher nicht benutzt werden. Das ist auch der Grund, warum viele in der Dehnung sofort wieder hochkommen. Zusätzlich die Arbeit an der Longe. Hier muss das Pferd in Dehnungshaltung fleißig gehen. Rechnet in den ersten Tagen mit Muskelkater. Sobald das Pferd den Kontakt auf beiden Seiten akzeptiert, könnt ihr den äußeren Zügel anfangen langsam weiter nach hinten Richtung Widerrist zu nehmen und über die Biegung arbeiten. Dazu könnt ihr im Beitrag "Wie erarbeite ich eine korrekte Anlehnung und Beizäumung?" lesen.
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Haltung der Hände Foto: privat |
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Die Hände folgen nach vorwärts - unten Foto: privat |
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und weiter in der Bewegung, hier mit Biegung Foto: privat |
Unter dem Sattel
Als nächsten Schritt erarbeitet man das ganze unter dem Sattel. Ich möchte den Weg, den ich genommen habe hier aber nicht schriftlich niederlegen aus einem einfachen Grund: Ich habe Erfahrung mit dieser Art der schwierigen Korrektur. Man hört ja über Reiter, die nach der gleichen Reitweise wie ich arbeiten, die Reiten ja immer mit hoher Hand. Ja, und das ist bei vielen auch tatsächlich wirklich leider der Fall. Sie haben irgendwo mal ein oder zwei Unterrichtsstunden gehabt, wo dann so korrigiert wurde und dann nicht wieder und wissen nicht wie es weitergeht bzw. haben sich irgendwo was abgeschaut und nachgemacht oder von nichtausgebildeten Trainern mit Halbwissen etwas gesagt bekommen, was nicht korrekt ist. Aber ich sage euch: wir reiten nicht ständig mit hoher Hand! Damit es euch Lesern nicht so geht, erkläre ich euch einen etwas abgemilderten Weg. Wer den direkten Weg gehen will, der kann sich persönlich an mich wenden.
Zu allererst ist unter dem Sattel auch wieder das Problem der Angst des Pferdes. Es verbindet die negative Erfahrung mit dem Idioten oben. Die Anforderungen an den Reiter sind:
- mitgehende Hände
- ausbalancierter Sitz
- keine Angst vor fleißigen Bewegungen
- schnelle Reaktion
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Noch nicht perfekt aber auf dem Weg. Hier seht ihr übrigens den festgehaltenen Unterhals des Friesen Foto: privat |
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Hier ist gut die zum Pferdmaul hingeführte Hand zu erkennen. Das Gebiss wird dem Pferd hingehalten Foto: privat |
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Im Trab schon einfacher. Hier aber wieder knapp mit der Senkrechten.Foto: privat |
Haltung des Pferdes
Die Pferde müssen die ganze Zeit in Dehnungshaltung gehen. Erst mit Kräftigung der Oberlinie, darf mit einer leichten Aufrichtung begonnen werden.
Und wie geht es weiter?
Hält das Pferd den Kontakt gut, dann dürft ihr mit dem normalen Weg weitermachen. Es wird dann mit der Biegung gearbeitet. Das habe ich aber in dem Teil "Wie erarbeite ich eine korrekte Anlehnung und Beizäumung" erklärt. Aber vergesst nicht, dieser Fehler ist der hartnäckigste. Es kann wirklich über Jahre gehen, bis das Pferd keine Angst mehr hat. Natürlich gehen in den ersten Monaten die Schritte schneller. Aber zur Perfektion dauert es. Ihr müsst das alte Verhalten, was dem Pferde beigebracht wurde aus seinem Gedächtnis herausradieren und dafür was Neues schaffen. Jeder Fehler des Reiters erinnert das Pferd natürlich an das Problem. Je besser ihr seid, desto schneller lernt das Pferd zu vertrauen. Es ist ein Fehler, der schnell hergestellt wird aber langsam in der Korrektur ist.
Ins rechte Bild gerückt
Ein wichtiger Punkt ist noch die Muskulatur des Unterhalses. Pferde mit diesen Anlehnungsproblemen sind hier extrem verkürzt und entsprechend verspannt. Selbst wenn es die Oberlinie dehnt, dann lässt es unten noch nicht richtig los. Das erkennt ihr gut daran, dass sich die Muskeln unter so kantig/deutlich abzeichnen. Der ganze Hals ist irgendwie ein Bogen. Ihr könnt hier zusätzlich mit Massage eurem Pferd helfen. Für Laien sieht das Pferd toll aus, für den, der richtig schaut wird erkennbar, wie es sich da noch festhält.
www.marion-wiesmann.de