Die Ausgangssituation
Als Fluchttier ist das Pferd in der Lage potenzielle Gefahren seiner Umgebung auszuloten. Jedes neue Element zieht seine Aufmerksamkeit auf sich. Es wird mit früherem verglichen und entsprechend der gemachten Erfahrung eingeordnet.Das Lernverhalten des Pferdes basiert in erster Linie darauf, Wohlbefinden anzustreben und unangenehme Situationen zu vermeiden. Daraus ergibt sich eine Mischung aus operanter (durch Sanktionen beeinflusst) und klassischer Konditionierung in der Pferdeausbildung.
Wenn ein Reiter mit einem Pferd bedeutende und rasche Fortschritte erzielen kann, dann aufgrund einer scharfsinnigen Ausbildungsstrategie, die die Psyche des Tieres, seine Anatomie, die Gebote der Bewegungsmechanik und die Gesetze des Gleichgewichts mit einbezieht.
Die Stärke eines guten Ausbilders liegt in der Art und Weise, wie er ein Programm aus logisch aufeinander folgenden Lerneinheiten aufstellt. Je sinnvoller diese für das Pferd sind, desto mehr wecken sie seine Neugier und tragen zum spielerischen Charakter seiner Arbeit bei.
Konditionierung - Lernen
In der Pferdeausbildung unterscheiden wir zwei wichtige Varianten der Konditionierung:Operante Konditionierung nach Skinner:
B. F. Skinner teilte die Ansicht von Thorndike, dass jedes Verhalten durch bereits erfahrenes beeinflusst wird. 1930 führte er Versuche mit Tauben und Ratten mit der "Skinnerbox" durch. Diese Box war ein Käfig, in´dem zum Beispiel eine Versuchsratte eingesperrt wurde (siehe Zeichnung). In diesem Käfig befanden sich einige Signallampen, ein von außen befüllbarer Fressnapf und ein Hebel, bei dessen Betätigung je nach Versuch verschiedene Konsequenzen dargeboten wurden. Es gab verschiedene Varianten des Versuchaufbaus: Ratte 1 bekam Futter wenn sie den Hebel betätigte, Ratte 2 konnte mit dem Hebel Strom, der durch den Boden der Box floss, ausschalten und Ratte 3 bekam einen Stromschlag, wenn sie den Hebel betätigte. Nach mehreren Versuchen kam Skinner zu dem Ergebnis, dass Ratte 1 und 2 immer wieder den Hebel betätigten und Ratte 3 diesen gar nicht mehr betätigte. Weitere Versuche mit dem Hebel und Signallampen folgten. So bekamen die Ratten nur Futter, wenn sie den Hebel betätigten und eine Signallampe leuchtete. Die Tiere konnten auf verschiedene Ergänzungen konditioniert werden. Es galt nicht nur eine Tätigkeit (Betätigen des Hebels) auszuführen sondern es musste eine zweite Bedingung (das Brennen der Lampe) erfüllt sein.Die Ratten in der Skinnerbox hatten gelernt, durch das eigene Verhalten positive oder angenehme Konsequenzen herbeizuführen und unangenehme Konsequenzen zu vermeiden bzw. zu verringern.
Bildquelle: Lefrancois (1994, 36) |
Bei der operanten Konditionierung erfolgt eine Verstärkung auf eine gezeigte Verhaltensweise. Als Verstärkung zählt eine bestimmte Konsequenz, die über die Wiederholung des gezeigten Verhaltens entscheidet. Skinners Lerntheorie basiert auf dem Einsatz der Verstärkung nachdem ein "lernendes" Individuum eine erwünschte Verhaltensweise gezeigt hat. Für unsere Erklärung der Hilfen bedeutet das z. B. die richtige Reaktion auf einen gesetzten Reiz, wie z. B. die Gertenhilfe zum Antreten, werden belohnt (Verstärker). Unerwünschte Reaktionen werden durch einen Strafreiz geahndet. Das kann bereits ein Aussetzen der Belohnung sein. Durch die Kombination mit der Stimmhilfe wird das Pferd rasch begreifen, was von ihm verlangt wird. Der Einsatz der Einwirkung mit der Gerte wird mit der Zeit immer minimaler und das Pferd reagiert immer feiner.
Da das Ausbleiben einer erwarteten Konsequenz auch als Strafe angesehen werden kann, ist es möglich, dass dieses Aussetzen auch ein Verstärken der Verhaltensweise auslösen kann. Bsp. ein Kind fängt an zu schreien, weil es etwas haben möchte. Bekommt es das nicht, so schreit es noch lauter. Es ist also wichtig und auch schwierig, diesen Verstärker ausfindig zu machen. Ebenso kann auch das dauerhafte Ausbleiben eines Verstärkers das Verhalten mindern und löschen.
Aus seinen Experimenten leitete Skinner das Prinzip der Verstärkung ab: "Verstärkung ist der Prozess, der dazu führt, dass ein spontan gezeigtes Verhalten vermehrt auftritt." Hobmair (1996, 149)
Eine detaillierte Information zu der operanten Konditionierung nach Skinner könnt ihr auf der Seite der Uni Duisburg-Essen nachlesen. Uni Duisburg-Essen: Skinner
Klassische Konditionierung nach Pawlow:
Der russische Physiologe I. P. Pawlow ist bekannt für seine Versuche mit Hunden. Durch Zufall entdeckte er dabei die Zusammenhänge der klassischen Konditionierung. Seine Entdeckung war, dass die Hunde verstärkt speichelten, wenn seine Assistenten den Hunden das Futter brachten. Die Hunde begannen bereits zu speicheln, wenn sie die Assistenten oder das Futter noch nicht sehen konnten aber bereits hörten.Der bekannteste Versuch von Pawlow war folgendermaßen aufgebaut: durch einen neutralen Reiz (löst keine spezielle Reaktion aus), der zu der Futtergabe wiederholt erfolgte, löste Pawlow bei den Hunden ein verstärktes Einspeicheln (unkonditionierte und angeborene Reaktion/Reflex) aus. Der neutrale Reiz war in diesem Fall das Ertönen einer Glocke. Bald genügte das Erklingen der Glocke allein, um das vermehrte Einspeicheln auszulösen. Der Hund hatte den Glockenton mit dem Futter assoziiert. Es entstand eine Erwartungshaltung beim Erklingen der Glocke. Durch Wiederholung wird aus dem neutralen Reiz ein konditionierter / erlernter Reiz, durch den der angeborene Reflex (Einspeicheln) konditioniert (erlernt) wird. Wichtig ist dabei die zeitnahe Durchführung, um den Reiz mit dem Reflex zu koppeln.
Bildquelle: Wikipedia Pawlowscher Hund |
Auch hier gibt es wieder eine umfassende Information über den Versuchsaufbau von Pawlow auf der Seite der Uni Duisburg-Essen. Uni Duisburg-Essen: Pawlow
Die klassische Konditionierung ist die einfachste Art zu lernen. Hier werden angeborene Reflexe / Reaktionen mit einem bestimmten Reiz ausgelöst. Es ist die einfachste Form des Lernens. Im Pferdebereich bekannt ist das Clickertraining, bei dem der Reiz das Knacken des Clickers ist.
Bei jeder Form der Konditionierung müssen die körperlichen und psychischen Voraussetzungen geschaffen sein.
Lernschema
Um dem Pferd die Hilfen verständlich zu machen, ist es sinnvoll, sich an ein festgegebenes Lernschema zu halten. Das verhindert, dass unerwünschte Reaktionen auftreten oder etwas vergessen wird.Sprache der Hilfen – Feststellen, dass das Pferd die jetzt benötigten Hilfen versteht
Zielsetzung – Auf Grundlage des Könnens den kleinstmöglichen Fortschritt ermitteln
Vorbereitung – Aufmerksamkeit des Pferdes für das angestrebte Lernziel schaffen
Ausführung – Das Pferd in Bezug auf Haltung, Gleichgewicht und Bewegungsablauf in eine Situation bringen, in der es mit absoluter Sicherheit mit einem Ansatz des gewünschten Verhaltens reagieren wird
Lob – sofortiges Lob um die Richtigkeit der Reaktion zu bestätigen
Wiederholung – Ausführung und Lob wiederholen um das neue Verhalten zu verbessern und festigen
Vervollkommnung – Das neue Verhalten mehr einprägen lassen. Die Bedeutung der Vorbereitung tritt dabei zugunsten der auslösenden Hilfen zurück. Nach und nach genügen die auslösenden Hilfen
Bilanz – Ein erlerntes Verhalten hat nur dann einen wirklichen Wert, wenn es sich in einen größeren, schlüssigen Zusammenhang einfügt, vorangegangene Etappen verbessert und als Vorbereitung für zukünftige Erfahrungen dient.
Folgen falscher Konditionierung
Pferde leben zweidimensional. Sie bewegen sich hauptsächlich in der Gegenwart, werden aber durch Erinnerungen aus der Vergangenheit stark beeinflusst.Das Abspeichern von Bewegungsabläufen erfolgt im Unterbewusstsein. Hier werden Bewegungsabläufe, Schonhaltungen, Schmerzzustände etc. gespeichert. Alles, was das Pferd lernt, wird hier abgespeichert. Positives und auch negatives.
Sind die körperlichen und psychischen Voraussetzungen unzureichend geschaffen, wird sich das Gelernte negativ im Pferd festsetzen. Das „fehlprogrammierte“ Pferd zu „redressieren“, dauert mindestens 3 bis 4-mal länger als eine Neuprägung des Pferdes und benötigt eine absolute Fachkompetenz des Ausbilders. Korrekturen können nicht einfach mit Hilfszügeln weggeritten werden. Die Basisarbeit muss gründlich nachgeholt werden. Das Auftreten des "Fehlers" muss weitestgehend bzw. komplett verhindert werden. Wie schon bei der operanten Konditionierung geschrieben, wird das Auslassen des Verstärkers das Verhalten mindern und schließlich löschen.
Schlussfolgerung
Eines muss sich jeder im Klaren sein: das Pferd lernt IMMER! Jeder Bewegung, jedes Verhalten von Artgenossen oder Menschen usw. sorgen dafür, dass das Pferd etwas lernt. So sollten wir sorgsam und bedacht im Umgang mit Tieren und Menschen sein. Unser Verhalten beeinflusst auch deren Verhalten. Lassen wir eine ungeforderte Reaktion im Training oder Umgang durchgehen oder korrigieren wir auch kleine ungewünschte Abweichungen nicht, dann dürfen wir uns auch nicht wundern, wenn etwas nicht klappt.Und noch etwas, bei vielen Pferdemenschen ist es noch sehr verbreitet, dem Pferd zu unterstellen, dass es bein Arbeitsverweigungerung keine Lust hat, sich nur dem Training entziehen will oder ähnliches. Das ist absoluter Quatsch und entspricht nicht dem Verhalten von Pferden. Wenn ein Pferd sich weigert etwas zu machen, dann liegt es daran, dass es ihm nicht richtig erklärt wurde oder es das aus z. B. gesundheitlichen Gründen nicht kann. Für den Menschen ist es einfacher, dem Pferd die Schuld zugeben aber nicht nicht intelligenter.