Donnerstag, 7. Februar 2013

Muskelketten

Die Skelettmuskulatur arbeitet häufig über so genannte Muskelketten. Sicherlich hat der eine oder andere schon einmal den Begriff "obere Verspannung" oder ähnliches gehört. Muskelketten verbinden verschiedene Regionen des Körpers entlang der Wirbel und führen Bewegungen über diese aus. Am bekanntesten sind dabei die "dorsale" (zum Rücken hin gelegen) und die "ventrale" (zum Bauch hin gelegen) Muskelkette. Diese Muskelketten arbeiten antagonistisch zueinander.

Dorsale Muskelkette
Zu ihr gehören die oberen (dorsalen) Halsmuskeln, die den Hals heben und den Übergang zwischen Hals- und Brustwirbelsäule strecken. Auch werden das Nacken- und Rückenbandsystem bestehend aus: Nackenband (vom 1. Halswirbel bis Widerrist) mit Nackenplatte (großflächiges Band vom 2.- 4. Halswirbel bis hin zum 2. - 4. Brustwirbel). Das Nackenband geht ab dem Widerrist über in das Rückenband. Dieses liegt oben auf den Wirbeln und führt bis zum Lendenbereich. Es ist im vorderen Bereich kräftig und elastisch. Im Lendenbereich verliert es an Elastizität. Das Nackenband ist dafür da, den Reiter zu "tragen" indem es zusammen mit den anderen dorsalen Muskeln die Dornfortsätze der Wirbel wie einen Fächer aufklappt. Darauf möchte ich aber in einem anderen Bericht näher eingehen.
Weiter hinten am Pferd gehört zur dorsalen Muskelkette noch die obere Kruppenmuskulatur und die Muskulatur der Lende. Die Muskeln zwischen Brustwirbel und Lendenwirbel strecken diesen Wirbelsäulenabschnitt. Zu der oberen Kruppenmuskulatur gehört die sog. Glutäenmuskulatur. Unsere Pobacken sozusagen. Sie befinden sich beim Pferd wie schon gesagt oben auf der Kruppe und formen diese.
Weitere wichtige Muskeln der dorsalen Kette sind die hinteren Oberschenkelmuskeln. Allgemein auch als "Hosen" bekannt. Sie liegen links und rechts neben der Schweifrübe und arbeiten hauptsächlich als Strecker des Hüftgelenks.
Dorsale Muskelkette
Quelle: www.horsewellness.de

Ventrale Muskelkette
Sie verläuft sozusagen an der unteren Seite des Pferdes. Zu ihr gehören die unteren (ventralen) Halsmuskeln (Beuger des Halses), die Bauchmuskeln, die Beuger des Übergangs Brustwirbelsäule und Lendenwirbelsäule, Beuger des Lumbosakralgelenks (Übergang zwischen letztem Lendenwirbel und erstem Kreuzbeinwirbel. Bei vielen Pferden als "Loch" vor der Kruppe zu erkennen). Weiter hinten gehören die vorderen Oberschenkelmuskeln dazu. Sie arbeiten als Beuger des Hüftgelenks.

Abdominale (Bauch) Muskelkette
Sie setzt sich aus mehreren Muskelschichten zusammen, die sich in mehreren Ebenen kreuzen. Sie zieht sich vom Brustbein über die Rippen bis hin zum Becken- und Leistenbereich. Diese Kette arbeitet eng und synergistisch mit der ventralen Halsmuskelkette zusammen. Dabei verstärken sie sich gegenseitig.

Funktionsbeispiel: Durch das "Abstützen" des Pferdes am Gebiss und der Maultätigkeit wird die ventrale Halsmuskulatur aktiviert. Sie spannt sich positiv an. Diese Spannung geht über die Kettenreaktion weiter in die Muskeln der abdominalen Kette und führt weiter zu den Beugern des Lumbosakralgelenkes die dieses Gelenk beugen. Durch diese Beugung wird das Becken abgekippt, die Hinterhand tritt weiter in Richtung Schwerpunkt. Das führt zur Unterstützung der dorsalen Kette. Unser Pferd hat noch immer Kontakt zum Gebiss. Es dehnt seinen Hals schön vorwärts (!) und etwas abwärts. Über das Nacken- und Rückenbandsystem werden die Wirbel aufgerichtet. Durch das gute Untertreten wird über den hinteren Teil der dorsalen Kette der Zug nach hinten abwärts übertragen. Die dorsale Kette wird wie ein Bogen gespannt.

Korrekte Dehnungshaltung, Zusammenspiel der Muskelketten
Quelle: www.rueckenkur-fuer-pferde.de

Foto: privat
korrekte Dehnungshaltung und Anlehnung

Trainingstipps
Zum Aktivieren der ventralen Muskelkette eignet sich z.B. die Galopparbeit, Anreiten aus dem Halten, Seitengänge ruhig ausgeführt, Klettern und Cavalettiarbeit. Viel Trabarbeit ist eher weniger empfehlenswert. Im Trab arbeitet das Pferd mehr mit aktiver Streckmuskulatur und höherer Muskelspannung. Um die dorsale Muskelkette richtig arbeiten zu lassen, ist eine gute Dehnungshaltung unerläßlich.
Durch vorsichtiges Massieren der Bauchmuskulatur und Aufwölben des Rückens über das Entlangstreichen mit den Fingern an der Bauchnaht kann man manuell nachhelfen. Dabei sollte aber folgendes beachtet werden:
Massage nur mit der flachen Hand, da viele Pferde bei verspannter Bauchmuskulatur empfindlich sind. Die meisten kitzeligen Pferde haben eher verspannte Muskeln und die Berührungen sind unangenehm. Deshalb das Pferd genau beobachten. Weicht es aus, dann habt ihr zuviel gemacht. Die Übung "leckende Kuhzunge" von Linda Tellington Jones eignet sich sehr gut dafür.
Beim Aufwölben des Rückens über die Bauchnaht immer vorher massieren, damit das Gewebe entspannt ist und dann richtig arbeiten kann. Dann von hinten nach vorne Aufwölben, da die Wirbel wie Dachziegel ineinander eingehakt sind. Die Übungen nicht übertreiben. Pferde bekommen davon schnell Muskelkater.

Schlussfolgerung
Da die dorsale und ventrale Muskelkette als Antagonisten zueinander funktionieren, müssen wir das auch bei Problemen berücksichtigen. Wenn das Pferd den Rücken nicht richtig aufwölbt, dann arbeitet es "unten" nicht genug. Es kann dabei z.B. verspannte oder untrainierte Bauchmuskeln haben. Ohne die richtige Arbeit dieser Funktionsketten erhalten wir kein tragfähiges Pferd.