Donnerstag, 9. Januar 2014

Gebisse - Die Qual der Wahl!


In diesem Beitrag geht es um Gebisse, die wir für unsere Pferde zur Kontrolle, als Signalhilfe oder einige auch als Dauerhilfe mit nie oder wenig nachlassendem Druck verwenden. Auch eine Nutzungsmöglichkeit vieler ungeübter und unausbalancierter Reiter ist das Festhalten mittels der Zügel und des daran befindlichen Gebisses um sich auszubalancieren.

Allgemeine Wirkung

Über die wirkliche Wirkung von Gebissen, direkt auf den Pferdekörper, wird in der Literatur zum Teil nur eingeschränkt eingegangen. Sie basieren meist auf Erfahrungswerte oder weitergegebenen Wissen anderer Reiter bzw. Autoren. Wissenschaftliche Studien liegen bis jetzt nur wenige vor. Diese zeigen zum Teil neue Erkenntnisse als das bisher Geschriebene. Aber auch hier gehen die Meinungen und Ergebnisse auseinander.

Das Gebiss ist über die seitlichen Backenstücke, die auf beiden Seiten des Pferdekopfes entlanglaufen, am Kopfstück befestigt. Es übt Druck auf verschiedene Stellen im Pferdemaul und über den Trensenzaum auch am Kopf des Pferdes aus. Über die angebrachten Zügel „steuern“ wir die Signale unserer Zügelhilfen. Die Einwirkung des Gebisses ist immer in Form von Druck in unterschiedlicher Stärke und Dauer. Dabei gilt je feiner und kürzer, desto besser die Ausbildung von Pferd und Reiter. Eine kurzes und diskretes Signal muss das Ziel von Beginn der Ausbildung sein. Warum dem Pferd erst starke Signale und viel Druck beibringen. Das Pferd ist ein sensibles und aufmerksames Lebewesen, in dessen Maul diese Signale auch schon in extrem geringem Maße wahrgenommen werden. Das spätere Korrigieren der starken Signale gelingt den wenigsten Reitern. Vielmehr „gewöhnen“ sich mit der Zeit beide an die zu starken Zügelhilfen und es wird zum normalen Alltag.

  Auf folgende Teile des Pferdemauls üben Gebisse Druck aus:

  • Die Laden – die freien Bereiche zwischen den Schneide- und Backenzähnen
  • Den Gaumen auf der unteren Seite des Oberkiefers
  • Die Zunge – besonders auf den empfindlichen Zungenrand
  • Die Lippen und Maulwinkel

  Außerhalb des Pferdemauls erzeugen sie direkt oder indirekt Druck auf:

  • Die seitliche Genickregion, in der die Backenstücke des Kopfstückes verlaufen
  •  Die Kinnfalte, in der der Sperrriemen verläuft
Auch wird über Teile des Kopfstückes, wie z. B. dem Reithalfter, noch an anderen Stellen des Pferdekopfes, z. B. dem Nasenrücken, unwillkürlich eingewirkt.
Genau diese Druckkräfte sind bei einer deutlichen bis starken Verbindung enorm und zum Teil brutal. Dies ist der Grund, weshalb in den Reitvorschriften nur eine ganz leichte und feine Verbindung gefordert wird. Die Realität sieht leider überwiegend anders aus. Die geforderte Kraft mit der über die Zügel eingewirkt werden muss, darf nur wenige "Gramm" betragen. Eine Studie mit Berechnungen von Preuschoft (1990) ergab, dass, je nach Passform der Trense, auf die Zunge das 1,5 fache bis 4 fache der angewandten Zugkraft pro Zügel ankommen. Das ist schon erheblich. Bei Hebelgebissen kann das zu Frakturen oder Haarrissen im Kiefer kommen. Auch die Zunge kann hierdurch erheblich verletzt werden. Die Zunge ist sehr empfindlich. Hier enden viele Nerven.

Passform / Anpassung im Maul

Die Größe und Passform des Gebisses ist enorm wichtig! Man kann dies mit passenden und nicht passenden Schuhen beim Menschen vergleichen. Jedes Pferd hat eine andere Maulform. Im Wesentlichen senden Gebisse direkte Signale an das Pferdemaul über Druck. Ein dünneres Gebiss übt mehr punktuellen Druck auf die Laden aus, während ein dickeres Gebiss den Druck auf die Laden etwas mehr verteilt. Eine Gebissstange übt mehr Druck auf die Zunge des Pferdes aus. Je fleischiger die Zunge dabei ist, desto mehr Druck wird von den Laden genommen und von der Zunge aufgefangen.

Bei der Größe des Gebisses sind im hauptsächlich folgende Faktoren wichtig:
  • Breite des Pferdemauls – Länge des Gebiss
  • Länge der Maulspalte – Länge des Gebiss bei gebrochenen Gebissformen
  • Breite des Unterkiefer - bei doppelt gebrochenen Gebissen
  • Wulstigkeit von Zunge und Lippen – Dicke des Gebiss
  • Höhe der Gaumenkuppel (Unterseite des Oberkiefer)
  • Alter des Pferdes ( je älter, desto flacher die Schneidezähne und dadurch flachere Maulhöhle) – bei Zungenfreiheit und Dicke des Gebisses zu beachten
Das Gebiss soll so im Pferdemaul liegen, dass:
  • die Hengstzähne nicht berührt werden - ACHTUNG: auch Stuten haben häufig kleine Hengstzähne!!!!
  • weder Backen- noch Schneidezähne berührt werden
  • die Gebissringe die Maulwinkel frei lassen und nicht quetschen sowie keine Haare oder Haut einklemmen. Die Löcher durch die die Gebissringe gleiten, dürfen nicht von Haut oder Haaren bedeckt sein und müssen auf beiden Seiten komplett sichtbar sein
  • die Gelenke bei doppelt gebrochenen Gebissen nicht auf den Unterkieferladen bei leicht einseitigem Zügelzug rubbeln. Fast jeder Reiter neigt allein schon durch seine Rechts- oder Linkshändigkeit zu etwas ungleichmäßiger Einwirkung. 
Bei der Auswahl des Gebisses sind neben seiner eigentlichen Nutzung auch die anatomischen Gegebenheiten zu berücksichtigen. Manchmal kann man eben nicht das Gebiss, das man gerne hätte nehmen. Wenn das Pferdemaul dazu nicht passt, muss man halt was anderes nehmen. Je dicker die Zunge ist, desto besser kann diese den Druck auf die Laden abpolstern, bekommt aber selber mehr Druck ab. Die Zunge kann dem Druck nur entweichen, indem sie hochgezogen wird oder an der Seite raushängt. Deutliche Signale für brutale Einwirkung oder ein unpassendes Gebiss. Hier ist z. B. ein dickes Gebiss unpassend. Bei der Länge des Gebisses muss auf jeden Fall an den Maulwinkeln genügend Platz sein. Hier darf weder die Haut noch die feinen Haare eingeklemmt werden. Ein zu kleines Gebiss führt auch dazu, dass die Gebissringe an den Kopf und die Zähne gedrückt werden. Das kann zu ziemlichen Verletzungen u. a. der Maulschleimhaut führen. Auch ein zu langes Gebiss ist nicht optimal. Es schlägt vielleicht gegen die Zähne, das Pferd kann die Zunge drüberstrecken und es liegt sehr unruhig im Maul. Eine ungefähre Länge des Gebisses erhält man, wenn man den Abstand der beiden Maulwinkel zueinander vermisst und dazu noch ca. 1 cm dazuaddiert. Somit hat man einen ersten Anhaltspunkt über die Länge des Gebisses. Dies variiert aber noch je nach Ausführung. Die Empfehlung ist, doppelt gebrochene Gebisse um 0,5 cm kleiner zu wählen als einfach gebrochene. Ein anatomisch geformtes Gebiss eher etwas weiter.
Für die Höhe der Verschnallung gab es immer die alte Regel in der Reitliteratur, dass in den Maulwinkeln 2 Hautfalten sichtbar sein sollen. Diese Regel ist nur bedingt gültig, da in der heutigen Zeit viele Pferderassen dazugekommen sind und es etliche verschiedene Gebisse gibt. Mag gut sein, dass diese Regel prima funktioniert hat, als hauptsächlich Warmblüter und Kaltblüter zum Einsatz kamen. Hat das Pferd aber eine kurze Maulspalte, kann bei der Höhe der Verschnallung schnell die Grenze erreicht sein. Man sieht dann häufig Pferde mit Gebissen, die an die Schneide- oder Hengstzähne schlagen oder Pferde mit einem "Dauergrinsen" im Gesicht, weil das Gebiss zu hoch verschnallt wurde. Ein höher verschnalltes Gebiss liegt ruhiger im Maul als das tiefer eingeschnallte Gebiss. Bei jungen Pferden, die noch sehr verspielt mit der Zunge sind, habe ich auch schon ein etwas erhöhte Verschnallung gewählt.
Ich kenne z. B. zahlreiche Isländer mit doppelt gebrochenem Gebiss, wo dieses gegen Zähne schlägt oder das Mittelstück viel zu breit ist. Bei einem schmalen Unterkiefer "rubbeln" die Gelenke des Mundstückes auf den Laden. Es ist daher bei jedem Pferd genau die Lage des Gebisses zu prüfen. Ich persönlich nehme immer die 2 Faltenregel als grobe Orientierung und mache dann den „Feinschliff“. Eine wichtige Sache, die bei der Verschnallung der Trense bedacht werden sollte ist, dass die Schnallen der Trense nicht auf den kleinen Kiefergelenken sitzen darf. Dieses kann zu Irritationen im Gewebe führen, da ein ständiger Reiz auf die Haut und den darunter liegenden Schichten ausgeübt wird. Auch darf das Kopfstück nicht an den Ohren oder der Stirn klemmen. Blockierungen können die Folge sein.

Gängige Gebisse und ihre Wirkungsweise

Grundsätzlich wirken die Gebisse mittels ausgeübten Druck und dem Loslassen über die nachgebende Zügelhilfe. Das Pferd sucht sich bei Druck eine angenehmere Position. Folgt es dieser Aufforderung, dann belohnt der Reiter über das Nachlassen des Drucks das Pferd und fördert so einen positiven Lerneffekt.
Unterschieden werden im wesentlichen folgende Gebissevarianten: Gebisse mit direkter Einwirkung, die Trensengebisse, und Gebisse mit Hebelwirkung wie z. B. Kandaren und Pelham.

Trensengebisse

 Das Trensengebiss setzt sich aus den Seitenstücken (Ringe) und dem Mundstück zusammen. Diese Teile gibt es in unterschiedlichen Ausführungen. Ich erläutere einmal die landein bekannteren Trensengebisse.


Wassertrense
Bei der Wassertrense gibt es 2 Varianten des Mundstücks. Zum einen das einfach gebrochene Mundstück. Hier besteht das Mundstück aus 2 Seitenteilen die in der Mitte ein bewegliches Gelenk besitzen. Durch die Konstruktion des Gelenks sind die Seitenteile etwas unterschiedlich in der Länge. (Aber Achtung: Es gibt auf dem Markt Gebisse mit deutlich unterschiedlich langen Seitenteilen. Diese wurden, meines Kenntnisstand nach, für Menschen mit ungleicher Handeinwirkung entwickelt.) Durch das gebrochene Mundstück ist eine einseitige Einwirkung auf das Maul möglich.
Besteht die Wassertrense aus 3 beweglichen Gebissteilen, also ein kurzes Mittelstück und 2 gleichlange Seitenteile, so bezeichnen wir das als doppelt gebrochene Wassertrense. Die Ausführungen dieser Form der Wassertrense sind sehr unterschiedlich. So gibt es hier Mittelstücke, die eine besondere Form, ähnlich einer Olive, aufweisen oder auch speziell gedrehte Mittelstücke.

Die Seitenstücke der Wassertrensen gibt es in verschiedenen Varianten. Es gibt einfache Ringe aus Metall, die durch Löcher am Rand des Mundstücks verlaufen. Die Ringe sind frei beweglich. Dabei gilt: je kleiner die Ringe sind, desto direkter wirkt der Zügelzug. Je größer die Ringe, desto länger ist der Weg, bis der lockere Zügel in Spannung kommt.
Die Bezeichnung des Trensengebisses richtet sich nach der Form der Seitenstücke. Bei einer Olivenkopftrense oder auch D-Ringtrense sind die Seitenstücke eingeschränkter beweglich. Sie liegen dadurch ruhiger im Maul. Durch die Form der Anbringung zwischen Mundstück und Seitenstück gibt es einen Schutz vor Einklemmen der empfindlichen Mundwinkel.
Die Schenkeltrense hat zusätzlich noch an jedem Seitenstück 2 Verlängerungen/Stege. Diese 3 Varianten (Schenkel-, Olivenkopf- und D-Ringtrense) verhindern zusätzlich noch ein Durchziehen des Gebisses bei einseitiger Zügeleinwirkung. Besonders die Schenkeltrense unterstützt die seitwärts weisenden Zügelhilfen durch ein "herüberdrücken" des Pferdekopfes. Die D-Ringtrense findet man eher im Rennsport als im normalen Reitsport. Bei all diesen Gebissen werden die Zügel direkt in die Seitenteile eingeschnallt.
 


Olivenkopftrense einfach gebrochen
Foto: Privat

Schenkeltrense mit Seitenstücken in Olivenkopftrensenform
Foto; Privat

Stangengebiss aus Gummi, sehr dick
Foto: privat

D-Ringtrense mit Einsätzen aus Kupfer, hier Gefahr von
"galvanische Zelle" siehe unter Kupfergebissen
Foto: privat



Doppelt gebrochene Wassertrense, das Mittelteil als Platte. Meiner Meinung nach
eher nicht zu empfehlen, da sich die Platte in die Zunge bohren kann.
Foto: privat



Hebelgebisse
Als Hebelgebisse bezeichnet man alle Gebissformen, deren Zugwirkung nicht direkt am Ring des Mundstückes beginnt. Sie gehören nicht in die Hände von unerfahrenen Reitern und sind auch nicht zum Erzwingen von Durchlässigkeitsproblemen da! Zu den gängigen Hebelgebissen zählen die Spring- und Dressurkandaren, das Pelham sowie verschiedene Kandarenformen aus anderen Reitweisen.
Das Hebelgebiss ist in der Regel ein Stangengebiss an dessen Seite jeweils ein Oberbaum und ein Unterbaum angebracht sind. Am Ober- und Unterbaum gibt es verschiedene Verschnallmöglichkeiten für Zügel. Bei der Dressurkandare wird der Zügel am Unterbaum befestigt- Das Gebiss wird am Ende des Oberbaum an den Backenstücken für den Kandarenzaum befestigt. Die Stärke der Hebelwirkung richtet sich nach der Länge der Stangen und dem Größenverhältnis der beiden Bäume zueinander.
Ein Hebelgebiss, egal welcher Art, kann nur zu Beugung des Genicks genutzt werden. Eine andere Form der Einwirkung ist nicht möglich. Es kann keine einseitige Zügelhilfe bei ungebrochenen Gebissen eingesetzt werden. Dieses führt zu einer Verkippung des Gebisses im Maul. Die Kandare wirkt auf dreifache Weise: Zum einen wird durch Zug am Zügel ein Zug auf das Maul in Richtung Reiterhand ausgeübt, zum anderen der Unterkiefer zwischen Stange und Kinnkette gedrückt, wodurch bei zu starkem Zug Quetschverletzungen entstehen können, die im Extremfall zu einem gebrochenen Unterkiefer führen können. Weiterhin entsteht durch den Hebel über das Zaumzeug ein Druck auf das Genick. Je nach Höhe der Zungenfreiheit wird der Druck im Maul mehr auf Zunge oder Laden ausgeübt.

  • Klassische Dressurkandare
Sie besteht aus einem Mundstück mit Kinnkette und einer zusätzlichen dünnen Unterlegtrense, die oberhalb der Kandare im Maul eingeschnallt wird. Geritten wird mit 2 Zügelpaaren. Das Mundstück ist immer ungebrochen und besitzt in der Mitte eine unterschiedlich hohe Wölbung, die Zungenfreiheit. Das Mundstück bildet den Drehpunkt, an dem die Hebel ansetzen. Am Oberbaum ist die Kinnkette befestigt. Sie wird ausgedreht an den jeweiligen Haken angehängt. Die Kinnkette sollte so lang verschnallt sein, dass sie erst bei einem 45° Winkel des Unterbaum zur Maulspalte wirkt. Je früher sie wirkt, desto schärfer und gefährlicher die Einwirkung. Ein Bruch des Unterkiefer kann hier schnell erfolgen. Am Unterbaum wird das zweite Zügelpaar verschnallt. Je nach Form des Seitenteils gibt es verschiedene Bezeichnungen für Kandaren. Es gibt z. B. "S"Kandaren mit in Form eines S gebogenen Seitenteil.

Dressurkandare mit hoher Zungenfreiheit. Hier ist der Übergang
zum Bogen sehr kantig. Kann sich in die Zunge bohren. Diese
Kandare hat einen langen Unterbaum im Verhältnis zum
Oberbaum. Hebelwirkund dadurch schärfer.
Foto: privat
Dressurkandare mit mittlerer bis hoher Zungenfreiheit.
Der Übergang zum Bogen ist besser abgerundet.
Das Verhältnis Oberbaum zu Unterbaum ist 1:2. Unterbaum ist
doppelt so lang wie Oberbaum.
Foto: Privat


Lage von Unterlegtrense und Kandare im Pferdemaul.
Kandare mit hoher Zungenfreiheit.
Foto: Privat

Vergleich Wassertrense/Unterlegtrense in der Dicke.
Oben: einfach gebrochene Wassertrense
Unten: einfach gebrochene Unterlegtrense
Foto: Privat

  • Pelham
Das Pelham ist ein Hebelgebiss, dass sowohl mit 2 oder mit 4 Zügeln geritten wird. Es besteht in der Regel aus einem gebrochenen oder ungebrochenen Mundstück, welches mit Hebelarmen und einer Kinnkette kombiniert wird. Es wird keine zusätzliche Unterlegtrense verwendet. Durch die Kombination der Verschnallung ist es ein Kombinationsgebiss zwischen Wassertrense und Kandare. Die Zügel werden in den Seitenteilen oder zusätzlich über einen Verbindungsriemen auch in den unteren Ring des Unterbaumes eingeschnallt, dann kann man mit einem Paar Zügel reiten. Bei 2 Paar Zügeln wird das zweite Paar in den Ring am Unterbaum verschnallt.

Pelham mit gebrochenem Mundstück und langem Umterbaum.
Foto: Privat
Pelham als Stangengebiss
Foto: Privat

  • Springkandare
Die Seitenstücke einer Springkandare sind meist aus mehreren aneinander gefügten Ringen oder haben Schlitze am äußeren Rand mit verschiedenen Einschnallmöglichkeiten der Zügel. Je tiefer die Einschnallmöglichkeit gewählt wird, desto schärfer die Hebelwirkung. (Anmerkung: Das Bild zur Springkandare zeigt das 3-Ring-Gebiss Wien von Sprenger. Das Gebiss gibt es ebenfalls mit 2 unteren Ringen und wird auch Pessoa Gebiss genannt. Einige Leser sind der Meinung, es handelt sich um ein Trensengebiss. Dies kann man aber schnell über z.B. Google herausfinden, indem man Springkandare in die Suchmaschine eingibt und sich die Bilder der Ergebnisse anschaut. Dieses abgebildete Gebiss wird als Springkandare bezeichnet. Wer die oberen Beschreibungen zu Trensengebissen und Gebissen mit Hebelwirkung richtig gelesen hat, dem wird auch klar, dass es sich um ein Hebelgebiss handelt.) Auch bei Springkandaren ergänzt meist eine Kinnkette die Schärfe der Einwirkung.

Springkandare 3-Ring von Sprenger
mit einem unteren Ring zum Einschnallen für die Hebelwirkung.
Foto: Privat
  • Kandaren in anderen Reitweisen und Fahrkandare
In verschiedenen anderen Reitweisen außer der klassischen und im Fahrsport werden ebenfalls Kandaren eingesetzt. Diese werden in der Regel mit einem paar Zügel geritten und sind dadurch überhaupt nicht für eine dauerhafte Zügelanlehnung gedacht. Beim Westernreiten hängt der Zügel z.B. durch und wird nur mit Impulsen eingesetzt. Die Zügel können am Unterbaum oder direkt am Seitenteil auf Höhe des Mundstück eingeschnallt werden. So wirkt der Hebel unterschiedlich stark.
Im Fahrsport wird sowohl mit Wassertrensen als auch mit Fahrkandaren gefahren. Die Fahrkandare hat ebenfalls keine zusätzliche Unterlegtrense. Die Fahrleinen werden individuell in den Ringen am Seitenteil oder in den Schlitzen am Unterbaum befestigt.

Westernbit mit hoher Zungenfreiheit und langem Unterbaum.
Hier wieder die ungünstige Materialkombination von Sweet Iron und
Kupfer. Bildung einer galvanischen Zelle möglich.
Foto: Privat


Liverpool Fahrkandare
Foto: Privat

Verhältnis Ober- und Unterbaum
Die Wirkung der Kandare verstärkt sich je größer das Verhältnis des Unterbaum zum Oberbaum ist.
Lange Unterbäume in Verbindung mit langen Oberbäumen lassen die Kandare „langsam“ und fürs Pferd vorhersehbarer wirken, das heißt erst nach einem gewissen Zügelweg wirkt der Hebel und das Gebiss. Lange Unterbäume zu kurzen Oberbäumen lassen die Kandare schnell und scharf wirken.



Die verschiedenen Gebissmaterialien mit Vor- und Nachteilen

Argentangebisse
Argentan oder auch German Silver ist ein Gemisch aus Nickel, Zink und Kupfer. Aufgrund des Nickelanteils können Pferde allergisch reagieren. Seine Farbe ist goldfarben. Da die Legierung sehr hart ist, hat es wenig Verschleiß. Ausserdem ist es korrosionsbeständig. Bei Import-Produkten sollte man aufpassen, da sie häufig Blei enthalten, was gesundheitsschädlich ist. 

Aurigangebisse
Aurigangebisse werden häufig gerne von Pferden genommen, da sie einen hohen Kupferanteil haben (ca. 85%). Kupfer entwickelt im Maul einen süßlichen Geschmack. Aurigan enthält keinen Nickel, daher können Allergien ausgeschlossen werden. Das Aurigan ist patentrechtlich geschützt und wird nur von der Firma Sprenger vertrieben. Neben Kupfer besteht das Material hauptsächlich aus Zink und Silizium. Auch dieses Material hat eine goldgelbe Farbe. Kommt Aurigan mit Speichel in Verbindung, so oxidiert es. Außerhalb der Maulhöhle wird dieser Vorgang allerdings gestoppt.

Einfach gebrochene Wassertrense aus Aurigan
Foto: Privat

Edelstahlgebisse
Edelstahlgebisse sind besonders glatt, leicht zu pflegen und halten bei richtiger Pflege sehr lange. Allergien sind nicht zu befürchten. Es ist ein weit verbreitetes Material und besitzt keinen Eigengeschmack. Es rostet nicht und ist sehr pflegeleicht. Der Verschleiß ist sehr niedrig.
Unterlegtrense aus Edelstahl
Foto: Privat

Eisengebisse - Sweet Iron
Ein Eisengebiss rostet durch den Speichel im Pferdemaul, was ein gewollter Vorgang ist. Der Rost schmeckt leicht süßlich und soll angeblich das Kauen anregen. Bei Eisengebissen muss man auf scharfe Kanten usw. achten, da sich der Rost in Teilchen löst. Es ist eher verschleißanfällig und muss regelmäßig kontrolliert werden. Durch seinen rostenden Effekt wirkt so ein Gebiss immer alt und dreckig. Es gibt aber auch Gebisse, bei denen die Seiten aus Edelstahl sind und nur der im Maul befindliche Teil aus Eisen ist. Diese Gebisse finden häufig im Westernreiten und im Freizeitbereich ihre Anwendung. Vorsichtig muss man sein, wenn diese Gebisse mit Kupferringen oder Kupferanteilen versetzt sind. Hier bildet sich eine sogenannte galvanische Zelle, also eine Batterie und es fließt Strom. Dies führt zu einem Kribbeln im Pferdemaul. Auch hier muss man bei Importware auf die Zugabe von giftigen Substanzen achten.

Gummigebisse
Bei diesen Gebissen ist das Ausgangsmaterial Kautschuk. Durch das weiche Außenmaterial sind sie sehr verschleißanfällig und müssen regelmäßig kontrolliert werden. Haben Pferde wenig Speichelfluss, z. B. durch ein festes Maul, so wirken Gummigebisse wie ein Radiergummi und können Verletzungen im Maul und an den Maulwinkeln erzeugen. Bei Gebissen aus Gummi unterscheidet man 2 Arten:
  1. Gummigebisse mit Eisenkern
    Sie sind sehr hart und nicht biegsam. Durch den harten Kernen halten sie länger als Gummigebisse ohne Kern. 
  2. Gummigebisse ohne Eisenkern
    Sie sind biegsam und Pferde spielen gerne damit. Leider werden sie auch öfter mal "durchgebissen". Durch das Spielen regen sie den Speichelfluss eher an.
    Stangengebiss Gummi ohne Eisenkern, sehr dick
    Foto: Privat

Kupfergebisse
Gebisse aus purem Kupfer kann man leider nicht verwenden, weil sie zu weich sind. Allerdings gibt es zahlreiche Legierungen oder Gebisse mit Kupferringen, Rollen usw. Ist Kupfer als klares Material zu erkennen, so kann es durch seine Reaktion mit anderen Materialien elektrische Spannung (Kribbeln) im Maul auslösen. Kupfer reagiert mit u. a. Zink (1,11 Volt) oder Eisen (0,79 Volt) und bildet eine „galvanische Zelle“ (Batterie). Es fließt Strom. Bei feiner Einwirkung der Reiterhand fördert es angeblich die Kaubereitschaft des Pferdes. Dadurch das Kupfer oxidiert muss es regelmäßig auf Grünspan untersucht werden.

Mittelstück aus Kupferlegierung
Foto: Privat

Ledergebisse
Ledergebisse sind in den letzten Jahren bekannter geworden. Sie sind weich  und passen sich der Anatomie im Maul an. Sie lassen sich schwer pflegen. Man kann es nicht einfach abwaschen. Ein neues Ledergebiss muss zunächst in Öl eingeweicht werden und dann vor jedem Reiten nochmal in Wasser, um eine gute Geschmeidigkeit zu erreichen. Nach dem Reiten, muss das Gebiss gut gesäubert und wieder mit Öl behandelt werden. Ein schlecht gepflegtes Ledergebiss ist bretthart und eine Tortur für jedes Pferdemaul! Auch hier soll der Eigengeschmack angeblich das Kauen anregen. Das führt natürlich wieder zu einer hohen Verschleißanfälligkeit.

Nathegebisse
Das Nathegebiss ist nach dem Kunststoff benannt aus dem es hergestellt wird. Dieser Kunststoff ist flexibel und recht weich, so dass Pferde sie durchbeissen können. Leider ist das Material außerdem lichtempfindlich und reißt nach einiger Zeit. Daher werden Nathegebisse heute nur noch mit Metallkern angeboten. Es muss auch hier wieder häufig kontrolliert werden, ob es irgendwo scharfkantig usw. ist. Dieser Kunststoff ist außerdem temperaturabhängig. Im Sommer ist es eher weich, im Winter eher hart.
Stangengebiss mit Mittelstück aus Nathe
Foto: Privat


Happy Mouth
Ein Kunststoffgebiss mit Metallkern, welches in verschiedenen Geschmacksrichtungen angeboten wird. Auch hier wird wieder angegeben, dass es das Kauen anregen kann. Aber wir wissen ja, dass es eher mit der Einwirkung des Reiters und der lockeren Muskulatur zu tun hat. Durch die äußere Kunststoffschicht muss auch hier wieder regelmäßig die Abnutzung kontrolliert werden.


Doppelt gebrochene Wassertrense mit Mittelstücken
aus Kunststoff mit Geschmack
Fotos: Privat

Zähne

Das heranwachsende Pferd wechselt seine Milchzähne zwischen in der Regel zwischen 2,5 und 4,5 Jahren. Man kann bis zum vollkommenden Aufeinanderliegen der jeweiligen Zähne immer noch bis zu einem halben Jahr dazurechnen. Je nach Rasse kann der Zahnwechsel auch später erfolgen. Zuerst wechseln die mittleren Schneidezähne mit ca. 2,5 Jahren. Mit ca. 3,5 Jahren die nächsten Schneidezähne und ganz zuletzt mit ca. 3,5 Jahren die letzten Schneidezähne. Jeweils immer oben und unten 2 Zähne.
Wolfszähne sind die ersten Backenzähne. Sie sind bei vielen Pferden ausgebildet aber meist nur kümmerlich. Bevor das Pferd das Gebiss zuallererst ins Maul bekommt sollten diese gezogen werden. Wer kann denn schon genau sagen, ob sich das Pferd den Schmerz nicht verkneift, wenn diese vermeintlich nicht stören.

Wichtige Gesichtsnerven und Gefäße

Jeder Reiter und Fahrer sollte die wichtigen Strukturen des Pferdekopfes kennen und seine Lage wissen. Eine falsche Verschnallung kann nachhaltige Folgen auf die Strukturen haben. Dabei nicht außer Acht lassen, darf man die wichtigen Gesichtsnerven. Diese können z.B. durch eine falsche Verschnallung oder Reizung durch Teile des Zaumzeugs irritiert werden. Da die Nerven über die Nervensysteme miteinander kommunizieren, kann eine Irritation eines Gesichtsnervs große Auswirkungen auf den Körpers haben.
Der Trigeminusnerv ( 5. Gehirnnerv) ist ein großer Gesichtsnerv, der unter anderem die Kaubewegungen steuert und für sensorische Wahrnehmungen im Gesicht verantwortlich ist. Der Trigeminus Nerv versorgt unter anderem die Nüstern und den Nasengang mit sensorischen Fasern.
Dieser Nerv ("Drillingsnerv") ist der stärkste aller Gehirnnerven; er teilt sich in drei Hauptäste:
  • den Augennerv: Er versorgt Stirn, Tränendrüse, Augenbindehaut, Augenwinkel, Siebbein und Teile der Nase),
  • den Oberkiefernerv (maxillaris): Er versorgt besonders die Oberkieferregion, die Oberkieferzähne, den Gaumen und Teile der Gesichtshaut. Er ist sehr sensibel, erhält parasympathische (siehe Post über Nervensystem) Anteile von Faszialisnerv. Er setzt sich in Richtung Maul fort in den Nerv Infraorbialis. Dieser versorgt mit Ästen die Zähne des Oberkiefer, Lippen, Nüster und Nasenvorhof. Er verläuft oberflächlich auf dem Nasenrücken in dem Gebiet, wo der Nasenriemen des englischen Reithalfters und des mexikanischen Reithalfters verlaufen.
  • den Unterkiefernerv (mandibularis) versorgt u. a. die Kaumuskulatur, den vorderen Teil der Zunge, den Mundboden, Maulschleimhaut, die Zähne des Unterkiefer sowie die Haut über dem Unterkiefer. Er verläuft über verschiedene Abzweigungen (Äste) entlang des Unterkiefer. Sein Endast tritt durch ein Loch zwei Fingerbreit unterhalb des Lippenwinkels durch. Diese Stelle ist bei der Verschnallung der Kinnkette und beim hannoverschen Reithalfter beeinträchtigt. Hier muss besondere Sorgfalt berücksichtigt werden. Drückt hier etwas, so wird es direkt an das Gehirn gemeldet.
Der Faszialisnerv (7. Gehirnnerv) enthält sensible, sensorische, motorische und parasympatische Fasern und versorgt weite Teile des Kopfes (Ohren, Augen, Drüsen, Muskeln der Lippe, Backen und Nase). Er durchsetzt u. a. die Ohrknorpel zum inneren Gehörgang und zieht bis zum Augenlid. Dabei kommuniziert er am Unterkiefer mit dem querverlaufenden Nervenast des Gesichts. Dieser Ast versorgt die Haut über dem Kiefergelenk und dem großen Kaumuskeln auf der Ganasche. Zusätzlich gibt der noch Äste an das Kiefergelenk ab. Der Faszialisnerv teilt sich auf der Außenfläche des großen Kaummuskels in 2 Teile, die u. a zu den Mundwinkeln ziehen. Er tritt am hinteren Rand des Unterkiefer an die Oberfläche und liegt unter der Haut.
Werden die Nerven gereizt, z. B. durch ein starkes Einwirken mit dem Gebiss auf das Maul oder auch durch das Kopfstück, so melden sie diesen Reiz an das Gehirn weiter. Die Muskeln bekommen wiederum eine Meldung über ihre Nerven und verspannen sich. Ist der Reiz ständig, so kann der Nerv auch Schädigungen bekommen. Zu beachten ist auch die Verbindung zum Gleichgewichtsorgan und zum Auge.
Die Gefäße der Venen und Arterien verlaufen vom unteren Teil des Unterkiefer auf die Gesichtsfläche und ziehen unterhalb des Jochbein mit verschiedenen Abzweigungen in Richtung Ober- und Unterlippe und Nasenrücken. Vene und Arterie verlaufen dabei parallel zueinander. Im inneren der Zunge verlaufen auch zwei wichtige Arterien und Venen. Sie sorgen für eine gute Durchblutung des Zungenmuskels. Ein starker Druck des Gebisses kann hier die Durchblutung so weit einschränken, dass die Zunge blau anläuft.
Verlauf des Trigeminusnerv (gelb)
Foto: Privat

Verlauf des Faszialisnerv (gelb)
wichtige Arterien und Venen (rot und blau)
Foto: Privat
Ich versuche diese beiden Nerven und die Arterien und Venen noch mal besser darzustellen. 


Schlussfolgerung

Ich möchte keine Wertung über verschiedene Gebisse abgeben und euch sagen, was ihr verwenden sollt. Wichtig ist, wie der Reiter / Fahrer auf das Pferd einwirkt und wie der Ausbildungsstand ist. Ein scharfes Gebiss ist niemals dazu da, ein Pferd zu kontrollieren oder zu etwas zu zwingen. Wer es für solche Zwecke nutzt, hat den Sinn der Pferdeausbildung überhaupt nicht verstanden. Allerdings halte ich überhaupt nichts von irgendwelchen Versprechungen, die ein lockeres Maul, bessere Anlehnung usw. versprechen. Das ist in meinen Augen absoluter Quatsch und nur dazu da, dass Gewissen zu beruhigen. "Ich kaufe das Gebiss aus dem tollen Material und und der besonderen Form und schon kaut mein Pferd wieder und ist absolut Losgelassen!"
Meiner Meinung nach, kann z. B. der sachgemäße Gebrauch  von Dressurkandaren mit Unterlegtrense das Pferd in seiner Feinheit verbessern. Der Reiter kann gezielter einwirken.
Bevor man sich ein Gebiss zulegt, muss man sich genau über das Pferdemaul informieren. Sich einfach ein Gebiss kaufen, nur weil die Freundin oder der Freund damit gute Erfahrungen gemacht hat, reicht nicht aus. Deshalb muss das Gebiss noch lange nicht bei dem eigenen Pferd passen.

Dieses Thema ist auch ein sehr sensibles Thema und schnell strittig, da jeder eine andere Meinung hat. Meine persönliche ist wie folgt: Ich reite Pferde mit Gebiss, je nach Ausbildungsstand und Trainingseinheit entweder mit Schenkeltrense oder Dressurkandare mit Unterlegtrense. Ja, nun mögen einige denken, dass die Kandare ein brutales Gebiss ist. Aber ist es nicht so, dass am Ende doch der Mensch dafür verantwortlich ist, ob etwas nun brutal ist oder nicht? Ich jedenfalls wirke nur bei Bedarf ein und lasse das Pferd ansonsten in Ruhe mit einer leichten Verbindung an der Trense und ggf. bei zusätzlicher Kandare dann mit einem Zügel, der nicht einwirkt. Die Kandare kommt dann nur bei Bedarf kurz zur Einwirkung. Somit ist eine noch feinere Dosierung der Gebisse möglich. Mit Trense kann ich das Gleichgewicht und die Lockerheit im Maul korrigieren, mit der Kandare die Genickbeugung verfeinern.
www.marion-wiesmann.de