Mittwoch, 20. Februar 2013

Wie erarbeite ich eine korrekte Anlehnung und Beizäumung? Teil 1

So, ich habe geschrieben, wie es nicht aussehen soll und in dem Beitrag "Was ist Senkrecht" schon mal eine kurze Info darüber, wie es aussehen soll mit der Beizäumung und Anlehnung. Beim Schreiben dieses Beitrags habe ich aber festgestellt, dass er sehr lang wird, wenn ich es detailliert mache. Also wird der Beitrag aufgeteilt in die Arbeit mit dem jungen Pferd und dem Korrekturpferd mit Anlehnungsproblemen.
Bitte benutzt keine Hilfszügel, um die Anlehnung oder Beizäumung zu erarbeiten. Sie werden auch nicht reell helfen sondern eher Probleme schaffen. Gute Ausbildung dauert einfach seine Zeit. Der Körper des Pferdes muss sich entwickeln und umformen. Dieser Prozess dauert viele Monate.

Nun erläutere ich euch, wie ich die Anlehnung und Beizäumung erarbeite. Fassen wir noch mal zusammen, was ich bisher darüber geschrieben habe:
- die Nasenlinie darf einen Winkel von 90° zum Boden nicht überschreiten, also Senkrecht
- die korrekte liegt zwischen 1 Handbreit vor der Senkrechten bis maximal Senkrecht
- der Reiter darf dafür keinen Zwang, Druck oder irgend eine andere Form der Kraft benutzen
- die Hinterhand muß aktiv nach vorne fußen, sonst dehnt sich die dorsale Muskelkette nicht
- die ventrale Muskelkette muß sich aktiv anspannen

Bei jeder Übung oder Einwirkung auf das Pferd solltet ihr euch folgendes fragen: "Was lernt das Pferd in diesem Moment und was hat es am Ende der Übung gelernt?"

Das junge Pferd
Bei einem jungen Pferd haben wir 2 große Faktoren, die vom Reiter/Ausbilder berücksichtigt werden müssen:
1. es kennt die Hilfen noch nicht
2. die Muskeln sind noch nicht im Training, es ermüdet schnell
Zusammengefasst heißt das: wir brauchen Zeit und arbeiten in kleinen Schritten.

Als ersten Schritt müssen wir mit dem Pferd auf einer gleichen Kommunikationsebene sein. Da wir unsere Hilfen/unsere Sprache benutzen möchten, müssen wir sie dem Pferd erklären. Wie sagte mal einer meiner Trainer bei einer Fortbildung: "Wenn ich einem Chinesen das Tanzen beibringen möchte, muss ich erst einmal chinesisch lernen!". Um eine Sprache zu vermitteln, wird von einzelnen Wörter zu kleinen Sätzen gelehrt. Daraus werden dann ganze Absätze. Für ein Pferd gilt, dass es erst einmal die Bedeutung des Gebisses im Maul kennen muss, bevor es sich mir Reiter durch die Bahn bewegt. Wir verhindern durch das behutsame Heranführen an das Gebiss auch eine Verspannung im Maul und somit der ventralen Muskelkette. Für diese ersten Schritte gibt es in der altklassischen Lehre verschiedene Abkauübungen vom Boden.

Basisübungen
Der Reiter steht vor seinem Pferd. Das Pferd hat zum ersten Mal eine Trense drauf.
Dabei greift der Reiter von vorne sanft in die Trensenringe und hält Kontakt. Achtet darauf, dass ihr nicht direkt mit eurem Kopf über dem des Pferdes seid. Wenn es seinen Kopf hochreißt, ist euer Kinn oder die Nase evtl. hin. Durch ein vorsichtiges Bewegen der Ringe Richtung Maulwinkel wird eine Bewegung des Gebisses im Maul ausgelöst, was ein Spielen zwischen Gebiss und Zunge verursacht. So löst sich die Spannung im Unterkiefer. Der Reiter nimmt die Ringe nur für einen kleinen Moment hoch und dann sofort wieder runter evtl. mehrfach wiederholen wenn das Pferd sich im Maul nicht lockern möchte. Beginnt das Pferd zu spielen, dann ist es wichtig, einen sanften und gleichmäßigen Kontakt beizubehalten. So erfährt das Pferd etwas über die Anlehnung an das Gebiss. Ihr haltet dem Pferd das Gebiss sozusagen hin. Dabei darf das Pferd nie in eine Haltung gezwungen werden. Dieses Spielen mit Anlehnung wird ein paar Sekunden gemacht, dann darf das Pferd pausieren. Dabei läßt der Reiter die Zügel los. Das Ganze dann mehrfach wiederholen. Das kurzfristige Öffnen des Maules am Anfang ist dabei normal. Es legt sich das Gebiss im Maul zurecht und benötigt noch Platz. Es wird später weniger, da das Pferd mit dem Umgang des Gebisses geschickter wird. Sollte das Pferd das Maul zu stark öffnen, dann weniger und vorsichtiger einwirken. Diese Basisübung sollte zur Angewöhnung an das Gebiss immer wieder gemacht werden. Voraussetzung ist auch ein sehr lockeres Reithalfter. Ich empfehle auch, den Sperriemen zu entfernen.
Foto: privat
Einwirkung Richtung Maulwinkel

Als nächste Übung erklären wir dem Pferd den Zusammenhang zwischen inneren und äußeren Zügel. Der innere sorgt für Biegung, der äußere begrenzt diese, hält die äußere Schulter im Gleichgewicht und ist später für die Genickbeugung zuständig. Der innere Zügel darf niemals stärker als der äußere Zügel einwirken. Für diese Übung stellen wir uns seitlich auf Höhe des mittleren Halsabschnitt. Ein Zügel über den Widerrist (wird innerer Zügel), an dem anderen Zügel fassen wir wieder leicht in den Trensenring. Am besten nur mit dem Zeigefinger. Die restlichen Finger sollten die Zügel umschließen, da sie sonst gerne am Kopf des Pferdes rumbohren. Der Zeigefinger hält Kontakt zum Trensenring. Die Hand mit dem inneren Zügel fast diesen sanft fixiert mit Daumen und Zeigefinger und sucht nun auch Kontakt. Die Hand ruht dabei auf der Schulter des Pferdes. Die entstehende Zügelschlaufe lasst ihr runtergleiten. Ist sie zu lang, nehmt ihr sie zur Vermeidung von Unfällen, in die Hand an der Schulter auf. Mit dem Zeigefinger am Trensenring könnt ihr durch sanftes bewegen wieder ein Spielen auslösen. Dabei solltet ihr darauf achten, dass die Bewegung nicht rückwärts ausgeführt wird. Das ist schmerzhaft für das Pferd. Ideal ist etwas Richtung Maulwinkel. Das kennt euer Pferd schon aus der ersten Übung.
Um nun die Biegung auszulösen, achtet ihr zuerst auf ein gleichmäßige Verbindung an eurem Trensenring und dem inneren Zügel. Der innere Zügel darf ja nicht stärker als der äußere sein. Also muss der äußere Zügel zuerst kontrollieren. Nun geht ihr mit der Hand an der Schulter abwärts zum Boden und biegt das Pferd von euch weg. Dabei laßt ihr den Arm schwer werden, nicht ziehen. Die Hand am Trensenring begleitet die Bewegung entsprechend der Stärke der Biegung. Es ist ab einer gewissen Biegung erforderlich, dass ihr euch mit herum bewegt. Die Stärke der Biegung dürft ihr zu Beginn nicht zu weit verlangen. Es ist etwas Neues für das Pferd, sich durch eine Einwirkung zu biegen. 45° reichen als Maximum zu Beginn aus. Später dürft ihr im Halten auch bis 90° biegen.  Durch den Kontakt am Trensenring könnt ihr schon mal das Genick vorsichtig kontrollieren, indem ihr auf eine gute Verbindung achtet. Gut bedeutet: mitgehen und beweglich in euren Handgelenken bleiben. Der äußere Zügel kontrolliert auch die Höhe der Kopf/Halshaltung.
Foto: privat
Biegung  (fast 90°) und Spielen mit dem Gebiss verlangen

Das Biegen ist in einer tieferen Haltung leichter aber weniger effektiv, da sich dann eine Drehung im Hals gibt und die Muskeln weniger anspannen und dehnen. Am Ende der Biegung könnt ihr das Pferd für 2-3 Sekunden halten und dann beide Zügel gleichzeitig loslassen. So bekommt das Pferd eine Pause als Belohnung. Diese Übung führt ihr dann auf der anderen Seite des Pferdes aus. Wechselt die Biegung immer ab. Achtet immer darauf, dass eure Arme locker aus den Schultern hängen. Nur so könnt ihr auch sanft einwirken. Nach einigen Übungseinheiten könnt ihr durch eine verlängerte Begrenzung am äußeren Zügel vermehrte Genickbeugung (Beizäumung) beim Pferd erfragen. Dafür wartet ihr etwas, bevor ihr die Biegung begleitet. Das Spielen mit dem Gebiss ist hier besonders wichtig. Das Pferd darf die Genickbeugung auch nicht selbst erzeugen. So bringt ihr ihm zum einen eine falsche Reaktion auf eure Zügelhilfe bei (Biegen heißt nicht Genickbeugung!) zum anderen erzieht ihr es zum Vermeiden der Zügelhilfen. Es bewegt sich jedesmal nach hinten ohne Aufforderung. Probiert das Pferd das aus, dann bewegt ihr der Trensenring sofort nach vorne Richtung Oberkiefer. So "öffnet" ihr das Genick wieder und die Nase kommt vor die Senkrechte. Das macht ihr auch so, wenn die Genickbeugung zu stark war. Denkt beim Genickbeugen daran, dass die kleinen Kopfgelenksmuskeln wenig Kraft haben. Also vorsichtig und kurz die Genickbeugung fragen, dann pausieren. Die Steigerung geschieht über viele Wochen und wird durch häufiges Verändern der Haltung begleitet.
Verwirft sich das Pferd, habt ihr innen zu stark eingewirkt. Auch können Blockierungen im Hals ein Verwerfen auslösen. Überprüft noch mal eure Einwirkung.

Was passiert im Pferd?
Da wir am Boden arbeiten, muss das Pferd sich nicht noch zusätzlich mit dem Reitergewicht ausbalancieren. Das verringert den Stress (Sympathikus bleibt unten). Es kann in Ruhe die Einwirkungen auf das fremde Teil im Maul wahrnehmen und versuchen zu verstehen.
Wenn ein junges Pferd ungewohntes Gewicht auf den Rücken bekommt, ist seine natürliche Reaktion: Im Rücken hohl machen, Kopf und Hals hochnehmen. Die beiden wichtigen Muskelketten arbeiten entgegengesetzt zu dem, was sie sollen. Das wird auf jeden Fall passieren, wenn sich der Reiter auf das Pferd begibt. Wir müssen uns also vorher klar machen, wie wir dagegen angehen können ohne das Pferd in seiner Haltung zu fixieren und es zu zwingen. Das würde dann die Anlehnungsfehler provozieren.
Wir müssen die Muskeln also geschmeidig machen, damit wir von Beginn an dem Hohl machen entgegenwirken können. Die Muskeln des Halses sind für das Heben (obere Muskeln), das Runterziehen (untere Muskeln) sowie das Biegen von Kopf und Hals zuständig. Je nachdem an welchem seiner Enden oder beiden Enden der Muskel festgestellt wird. Der Muskel kann aber nur eine Funktion zur Zeit ausführen.
Durch das Biegen des Halses erreichen wir jeweils ein Dehnen der Muskeln auf der äußeren Seite und ein Anspannen auf der inneren Seite. So machen wir das Pferd seitlich beweglich. Durch die ausgelöste Biegung später unter dem Reiter muss das Pferd seine untere Halsmuskulatur aus der Verspannung lösen und positiv anspannen sowie die obere dehnen. Zusätzlich habe ich ja schon erwähnt, dass Biegung in tieferer Position einfacher ist. Das nutzen wir dann um daraus eine gedehnte Position zu erarbeiten. Die Verbindung über die Muskelketten läßt die Biegung, soweit anatomisch möglich, über die gesamte Längsachse des Pferdes gehen.
Das Spielen mit dem Gebiss sorgt durch die Muskelansätze von vielen unteren Halsmuskeln z.B. am Unterkiefer  für eine Bewegung des Unterkiefers. Dadurch ergibt sich gleichzeitig eine Bewegung in diesen Muskeln. Das verhindert zusätzlich ein Verspannen der ventralen Muskelkette, aktiviert diese aber. So ist das Pferd in der Lage, seinen hohl gemachten Rücken wieder aufzuwölben.
Dadurch, dass die Zunge sich locker im Maul bewegt oder ohne Anspannung im Maul ruht, ist auch das Zungenbein nicht verkantet. Am Zungenbein setzen viele Muskeln an, die u.a. zum Brustbein des Pferdes führen. Das Brustbein ist das eine Ende des Brustkorbes und somit für die ersten Brustwirbel. Ziehen hier die Muskeln unnatürlich, dann senkt sich der Brustkorb ab und damit auch die ersten Brustwirbel. Das wiederum sorgt für durch seine muskuläre Verbindung (Schultergürtel) zum Rücken für ein Absenken. Da wir die Zunge aber locker halten und nicht im Maul rumziehen, passiert das nicht. Ich werde noch einen detaillierten Bericht zum Thema Schultergürtel machen. Da könnt ihr dann genau nachlesen.

Nächste Schritte
Foto: privat
leichte Biegung in etwas höherer Position
Wenn diese Übungen im Stand gut funktionieren, dann könnt ihr sie auch in der Bewegung an der Hand ausführen. Dazu werden die Positionen von äußerem und inneren Zügel aber getauscht und ihr biegt das Pferd zu euch hin. Die Hand am Trensenring hat dann den inneren, die an der Schulter den äußeren Zügel. So könnt ihr euch auf dem Platz in geraden und gebogenen Linien bewegen. Geht aber auch da vom einfachen zum schweren vor. Eine gute Abfolge ist immer Volten und danach geradeaus am Hufschlag entlang zu kombinieren. Das könnt ihr dann auch in den ersten Einheiten unter dem Sattel so machen. Das kennt das Pferd dann bereits und es fürchtet sich nicht.
Foto: privat
An der Hand in Dehnung


Wenn ihr das Pferd reiten wollt, dann gewöhnt ihr es ja erst so an den Reiter und laßt es von einem Helfer führen. Dabei könnt ihr dann sanft die Zügel aufnehmen und den Kontakt aus der ersten Basisübung aufnehmen. Wenn es dann irgendwann ohne Helfer geht, müßt ihr vorweg noch die Biegung von oben in eure Erläuterung der Hilfen einbauen. Das macht ihr entsprechend zuerst im Halten. Das Pferd kennt diese Übung vom Boden. Wenn das klappt, macht ihr im Schritt mit den Volten und dem Geradeaus weiter. Die Genickbeugung kontrolliert ihr vom ersten Moment schon sanft über den äußeren Zügel. Mit der Zeit könnt ihr sie mehr fordern. Kommt das Pferd nach oben raus und über den Zügel, dann korrigiert ihr es über diese Biegung. Dann später auch auf anderen Linien arbeiten und die anderen Gangarten dazunehmen.
So erarbeitet ihr euch eine korrekte Anlehnung und Beizäumung bei einem jungen Pferd. Ihr sorgt für euer behutsames Vorgehen auch für Vertrauen und Entspannung. Auf diesem Weg habe ich schon viele junge Pferde ausgebildet. Bisher gab es da keine Probleme. Bei einem Korrekturpferd geht ihr am Boden auch erst einmal so vor. Dazu kommen dann noch andere Maßnahmen um das Problem zu beheben.

Foto: privat
korrekte Anlehnung und Beizäumung in Selbsthaltung
Schlußfolgerung
Man muss sich darüber im klaren sein, dass ein junges Pferd für die Entwicklung der Muskulatur und dem Verstehen der Hilfen Zeit braucht. Neben diesem Faktor ist noch ein anderer sehr wichtig, den viele Reiter nicht haben. Das ist die Geduld! Es hilft in der Ausbildung des Pferdes nicht, mit irgendwelchen Zwangsmitteln das Pferd in eine Haltung zu pressen. Ich habe in anderen Beiträgen bereits erläutert, dass die Kopfgelenksmuskeln nicht für statisch haltende Arbeit geschaffen ist. Genau das fordern wir aber, wenn wir mit Hilfszügeln arbeiten. Nichts ist so beweglich wie die direkte Einwirkung über den Reiter. Sofern sie locker ausgeführt wird.
Um eine korrekte und verständliche Anlehnung zu erarbeiten, machen wir uns die Funktion der Muskeln zunutze. Über das Biegen des Pferdes können wir es geschmeidig machen und die Haltung korrigieren. Die Anlehnung wird mit fortschreitender Ausbildung verbessert und gefestigt. Je mehr das Pferd diese Anlehnung zwischen Maul und Reiterhand akzeptiert, desto mehr können wir die Beizäumung, das Beugen des Genicks, verlangen. Fehler in der Reaktion des Pferdes müssen auf jeden Fall sofort korrigiert werden. Jede Bewegung, die das Pferd macht, wird im Unterbewußtsein gespeichert. Damit auch die falschen Haltungen oder Reaktionen auf eine Aufforderung. Wird nichts korrigiert, ist es für das Pferd richtig. Aber warum sollten wir dem Pferd die Fehler erst erlauben? Denkt einmal darüber nach.
Es gibt sicherlich auch andere gute Wege, dem Pferd die Anlehnung und Beizäumung beizubringen. Dies ist mein Weg.