Donnerstag, 7. Februar 2013

Wie trägt das Pferd den Reiter?

Das unsere Pferde uns nicht mit dem Rücken tragen, dürfte sich ja inzwischen bei den meisten schon rumgesprochen haben. Aber womit macht es das denn jetzt?

In dem Beitrag über die Muskelketten, sind schon wesentliche Punkte dazu angesprochen worden. Um die Gesamtheit zu verstehen, müssen wir uns etwas aus der Physik raussuchen. Und zwar die Hebelgesetze. Da gibt es in einem Buch von Tanja Richter (Manuelle Therapie der Pferdewirbelsäule) ein tolles Beispiel: Wie ja allgemein bekannt, haben wir es auf unserer Erde mit der Schwerkraft zu tun. Um also ein Gewicht anzuheben, muss es gegen die Schwerkraft angehoben werden. Das ist mit etwas leichtem ganz einfach. Wenn das Gewicht schwerer ist, gibt es da schon Schwierigkeiten. Eine Lösung, die viele sicherlich,kennen, ist folgende: Man nimmt einen großen Stein und eine Stange. Den Stein klemmt man unter die Stange. Die Stange wird unter das Gewicht gelegt. Mit diesem verlängerten Hebelarm ist es nun möglich das Gewicht anzuheben. Je länger das Stangenende dabei ist, desto leichter kann das Gewicht angehoben werden. Damit uns das Gewicht nicht wegrollt, müssen wir es mit einer Schnur an das Stangenende befestigen. So können wir das Gewicht anheben und auch an einen anderen Platz platzieren.

Quelle: Uni Potsdam

Das Gewicht, um das es geht, ist in unserem Fall der Reiter. Natürlich muss das Pferd zur Fortbewegung auch sein eigenes Gewicht anheben und bewegen. Wir wollen aber klären, wie der Reiter getragen wird. Man spricht bei diesem Gewicht von einem "Lastarm". Das ist das Gewicht, das bewegt werden soll. Bewegt wird dieses Gewicht vom "Kraftarm". Damit dieser gut arbeiten kann, muss er fixiert sein. Der Kraftarm ist der Hals mit Kopf. Als hinteres Widerlager dient ihm dabei das Kreuzbein. Nun muss man aber daran denken, dass bei einem Pferd das Kreuzbein erst im 5. Lebensjahr zusammengewachsen ist. Vorher sind es einzelne Wirbel. Diese sind dann noch nicht in der Lage, das Widerlager entsprechend aufzubauen. Zur Unterstützung des Kraftarm dient die ventrale Muskelkette. Besonders die Bauchmuskeln geben dem Rücken von unten Halt.

Der Kraftarm funktioniert folgendermaßen:
Die obere Halsmuskulatur dehnt sich und das Pferd kann sich nach vorne und abwärts strecken. Dabei werden über das Nacken- und Rückenbandsystem (beschrieben in Muskelketten) die Wirbel über ihre Dornfortsätze aufgefächert. Als vorderes Widerlager und Drehpunkt dient dabei der Widerrist (im Beispiel unser Stein). Das hintere Widerlager, das Kreuzbein, beugt sich indem das Pferd mit der Hinterhand weit nach vorne fußt. So erhält der Kraftarm seine Fixierung. Die Wirbelsäule wir angehoben. Damit die Muskeln nicht zu stark beansprucht werden, stützt die Bauchmuskulatur das Ganze von unten ab. Eine gut entwickelte obere Halsmuskulatur kann diese Bewegung mit wenig Kraftanstrengung ausführen und so den Reiter effizient tragen. Die Rückenmuskulatur kann sich dabei ihrer Aufgabe, der Fortbewegung, widmen. Funktioniert dieses System noch nicht oder nicht mehr, dann schleppt das Pferd den Reiter mit der Rückenmuskulatur.

Dehnung des Pferdes
Quelle: Dr. Gerd Heuschmann


Schlussfolgerung
Ein junges oder untrainiertes Pferd kann den Reiter erst tragen und sollte somit erst richtig geritten werden, wenn die Halsmuskulatur sich entwickelt. Die Arbeit an der Hand oder gutes Longieren hilft beim Aufbau der Muskulatur. Solange das Kreuzbein nicht zusammengewachsen ist, ist das Pferd anatomisch nicht in der Lage seinen Kraftarm richtig einzusetzen. Junge Pferde sollten deshalb nur kurz und nicht täglich unter dem Reiter gearbeitet werden.
Je länger der Hals des Pferdes, desto mehr Gewicht kann angehoben werden. Aber auch ein guter Widerrist und ein genügend langes Kreuzbein sind dabei wichtige Komponenten.